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Fokale Dystonie

Bei der fokalen Dystonie (manchmal auch Musikerdystonie oder Musikerkrampf) handelt es sich um ein zumeist schmerzloses Syndrom, bei dem Musiker*innen der Zugriff auf die eigene Feinmotorik bei spezifischen Bewegungsausführungen am Instrument schrittweise verloren geht.

Symptome

Typischerweise handelt es sich bei den betroffenen Muskelgruppen um die feinmotorischen Areale, die beim jeweiligen Instrument besonders treffsicher eingesetzt werden müssen. So gibt es Finger- und Ansatzdystonien, aber auch die Bogenhand bei Streicher*innen kann betroffen sein. Die Symptome sind vielfältig: Blockaden, unwillkürliche Muskelkontraktionen, Ungenauigkeit und Asynchronität bei der Muskelkoordination, Verzögerung von Einsätzen, Tempo- und Dynamikverlust, ungewollte Sequenzierungen bestimmter Bewegungen und viele weitere.

Häufig sind die Anfänge der Dystonie für Menschen von außen nicht beobachtbar. Nur die ausübenden Musiker*innen bemerken ein verändertes Spielgefühl, leichte Ungenauigkeiten oder ein kleines, unwillkürliches Verziehen der Muskulatur. Spielbewegungen werden häufig nicht mehr exakt wahrgenommen, sondern wie durch einen getrübten Filter oder mit leichtem Taubheitsgefühl beschrieben. Nicht wissend, womit sie es zu tun haben, reagieren die meisten Betroffenen dann intuitiv mit erhöhtem Übeeinsatz, was die Symptome fatalerweise häufig verstärkt. Die Bewegungsmuster lassen sich nach und nach immer weniger kontrollieren und entwickeln gewissermaßen ein "Eigenleben". Irgendwann können die Betroffenen nicht mehr auf Dynamik, Tempounterschiede oder Artikulation reagieren - das stereotype Muster dominiert. Innerhalb weniger Wochen oder Monate können sich diese Anzeichen dann so sehr potenzieren, dass sie zu einem kompletten Zusammenbruch der Spielfähigkeit führen. Aus dem stereotypen Muster ist ein dystonisches geworden.

Entwicklung

Ursachen

In der Regel ist es nie eine einzelne Ursache, die zur Dystonie führt, sondern immer ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren: veränderte Anforderungen im Berufsleben, Perfektionsdruck, anatomische oder muskuläre Anomalien, starres Üben und ständiges Repetieren musikalischer Sequenzen, ergonomisch schlecht angepasste Instrumente, umgeschulte Händigkeit und die Aufgabe des persönlichen musikalischen Ausdrucks sind nur einige. Häufig sind Musiker*innen betroffen, die erst spät zu ihrem Instrument gefunden haben, in der Kindheit als begabt und schnell lernend galten und eine Technikumstellung durch eine neue Lehrkraft erfahren haben.

Jede Dystonie ist einzigartig. Die Symptome und Ursachen sind immer eng mit den individuellen Erfahrungen, dem Werdegang und der Persönlichkeit der betroffenen Person verknüpft. Daher gibt es auch nicht DIE Methode, die die Dystonie wieder beseitigt. Dispokinetische Retrainings erzielen glücklicherweise gute Erfolge, denn hier bekommen sowohl "Technik" als auch persönliche Erfahrungen und Entwicklungen ihren Platz. Die Dystonie wird an verschiedenen "Baustellen" bearbeitet - häufig auch gleichzeitig: Die Urgestalten von Haltung und Bewegung helfen dabei, die häufig aus dem Gleichgewicht geratene Haltung wieder zu stabilisieren und sich Spielbewegungen ohne Instrument und daher unbelasteter zu nähern. Bei feinmotorischen, logopädischen, Schreib-, Klavier- und Atmungsübungen können einzelne Bereiche des Körpers sensomotorisch nachreifen. Die ständige Beobachtung der körperlichen Rückmeldung schult sowohl die Körperwahrnehmung als auch die Fähigkeit, sinnvolle und hemmende Bewegungsvorstellungen voneinander zu unterscheiden. All dies fließt in die Arbeit am Instrument ein: Die neuen Bewegungserfahrungen werden dem dystonischen Muster als Alternativen gegenübergestellt und etablieren sich langsam im täglichen Gebrauch am Instrument. Ist der Körper dann auf den "Geschmack" der Alternative gekommen,  kann er die Dystonie Schritt für Schritt abbauen und ein neues Spielgefühl entwickeln. Dieses ist nie selbst Muster, sondern immer der logische und ökonomische Weg, dem eigenen Ausdrucksziel zu folgen.

Therapie

Die fokale Dystonie bedeutet für die Betroffenen in der Regel eine hohe psychische Belastung, stehen doch Berufsunfähigkeit, finanzieller Druck, Selbstzweifel und Identitätsverlust im Raum. Hier kann es hilfreich sein, auch weitere Hilfe durch Psychotherapie in Anspruch zu nehmen.

Außerdem können zusätzliche Physiotherapie, Massagen, Logopädie oder Ergotherapie einen Heilungsprozess begünstigen.

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